Gesamtzahl der Seitenaufrufe

Mittwoch, 3. August 2022

LIGHTY mit den schönen Augen




 Schaut mir in die Augen…

Mein Name ist Lighty. Keine Ahnung, wieso, aber möglicherweise heiße ich so, weil ich ein helles Köpfchen bin. Nicht farblich, aber sonst eben. 

Jedenfalls bin ich auf dem Pferdehof der Schmidts in Hergenstadt der Chef. Nicht der Gesamtvorstandsvorsitzende, sondern der Chef der Wallachherde „Die Softies“. Übrigens ist das ein lustiger Name für den Trupp, denn unter diesen sogenannten Softies gibt es ein paar ordentliche Betonschädel. Aber wie wir wissen, ist der dicke Knut ja auch nicht dick, daher müssen die Softies auch nicht sanftmütig sein. Das ist aber nicht schlimm, ich habe die trotzdem im Griff. Unlängst habe ich gelesen, dass man das, was ich ausstrahle, ‚natürliche Autorität‘ nennt. Eventuell hat das auch etwas mit meinen sehr ungewöhnlichen Augen zu tun. Ungewöhnlich schön, aber auch ungewöhnlich anders. Jedenfalls funktioniert „niederstarren“ ganz ausgezeichnet, vor allem, wenn ich dazu noch meine Ohren nach hinten wegklappe. Dann legt sogar der dicke Knut den Rückwärtsgang ein und hört auf, uns aus fadenscheinigen Gründen um die Heuraufen zu scheuchen. 

Früher, so sagen manche, sei ich unterm Sattel ein richtiger Heißsporn gewesen. Und ich hätte gelegentlich meinen Reiterinnen ordentlich eingeheizt. Was natürlich kompletter Unfug ist. Ich bin ein fröhlicher Typ und leiste mir gerne mal den einen oder anderen Bocksprung unterm Sattel. Wenn die Damen dann runterpurzeln wie reife Kirschen im Hochsommer liegt es nicht an mir, sondern an deren suboptimalem Knieschluss oder mangelhafter Reaktionsfähigkeit. Aber inzwischen haben mein Personal und ich uns ohnehin darauf geeinigt, dass ich als Herdenchef völlig ausgelastet bin und keine weiteren Aufgaben benötige. Schon gar keine, die etwas mit einem Sattel zu tun haben.

Unser Leben als „Fastwildpferde“ in Hergenstadt ist herrlich, wenngleich es für mich organisatorisch bisweilen eine Herausforderung darstellt! Unsere Weiden sind so groß, dass wir auf unseren Kontrollwegen ganz schön Kilometer auf unsere Schrittzähler bringen. Bergauf, bergab, runter in den Wald, den Buckel wieder hoch, mit Knut um die Heuraufe, den ganzen Weg zurück zur Tränke. Ab dem Frühjahr, wenn wir auch nachts draußen bleiben, muss ich die Wachen organisieren. Zwar wurden vertrauenswürdigen Quellen zufolge in den Wäldern um Hergenstadt lange keine Bären, Löwen oder Tiger gesichtet, aber manche Pferde sind ja so was von ängstlich und dauerbesorgt. Und jeder hat andere Kümmernisse. Schimmi zum Beispiel ist permanent blass vor Angst, dass das Bio-Heu ausgeht (was noch nie der Fall war). Knut sorgt sich, dass jemand eine Thrombose kriegen könnte. Alle zusammen befürchten, dass ein Braunbär oder ein ausgehungertes Wolfsrudel sie reißen könnte. Unter uns: Den Braunbären möchte ich sehen, der einen von uns Heudickbäuchen fressen könnte. Aber ich nehme die Ängste meiner Jungs ernst, und so dürfen wir niemals alle gleichzeitig schlafen. Die Schichtpläne sind kompliziert, ich muss ja auch Urlaube, Wochenenden und maximale Tagesarbeitszeiten berücksichtigen, sonst hetzen die anderen mir noch die GdfR (Gewerkschaft der faulen Rösser) auf den Hals. 

Wie dem auch sei: Das Pferd wächst mit seinen Aufgaben. Mir macht das alles Spaß, ich bin gerne Chef. Die Zweibeinchefs hier sind auf Zack und sie tun, worum ich bitte – ohne zu murren! Zum Beispiel „Heu bringen, bis wir halt sagen“. 

Liebe Grüße

Euer Lighty










Keine Kommentare: